Kategorie-Archiv: Nachdenken

Die neuen Nationalismen

„Wir sind in Todesangst, daß die Nächstenliebe sich zu weit ausbreiten könnte, und richten Schranken gegen sie auf — die Nationalitäten.“
(Marie von Ebner-Eschenbach. Aphorismen)

Spruch vom 31. März 2016 der Fastenaktion 7 Wochen ohne – Woche 5 „Hier ist noch Platz“. Ich denke nicht, dass die Schranken urplötzlich vom Himmel fallen. Die Themen der Politik sind schon lange nicht mehr an eine Vision gebunden, außer an die des schrankenlosen Egoismus. Die Themen der Politik sind nur noch Werkzeuge zur Mehrheitsbeschaffung. Die Frage ist, ob die Zauberlehrlinge danach mit den Geistern umgehen können, die sie beschwören.

Das Gefühl des zu-kurz-kommens kann man übrigens auch auf sehr hohem Niveau haben.

Pressekodex

12.1 Berichterstattung über Straftaten In der Berichterstattung über Straftaten wird die Zugehörigkeit der Verdächtigen oder Täter zu religiösen, ethnischen oder anderen Minderheiten nur dann erwähnt, wenn für das Verständnis des berichteten Vorgangs ein begründbarer Sachbezug besteht. Besonders ist zu beachten, dass die Erwähnung Vorurteile gegenüber Minderheiten schüren könnte.

Source: Pressekodex – Wikipedia

Für wen ist die Zugehörigkeit zu einer Bevölkerungsgruppe eine wichtige Information? Richtig: Für alle von links bis rechts, die gern die Bundeswehr in den Städten hätten (Florian Hahn) oder die gern alles tun würden, damit es endlich wieder sicher wird (Sahra Wagenknecht). Ich wünsche mir deshalb demnächst bei der Berichterstattung über Straftaten auch die jeweiligen Kennzeichnungen für Bayern, Westfalen, Sachsen usw., Christ, Moslem, Agnostiker, Linker, Rechter wäre auch noch hilfreich.

Damit wir endlich wissen, wer so alles bedroht. Wer bedroht wird ist eine zu vernachlässigende Frage der Statistik.

Brexit und der Hype um Volksentscheide

Lesen kann helfen, vorausgesetzt man tut es rechtzeitig und zieht die richtigen Konsequenzen:

„»Demokratie« im Sinne von »Volksherrschaft« hat es so gut wie nie gegeben, und wenn es sie gab, war sie eine unverantwortliche Diktatur der Willkür. Eine Regierung kann und soll dem Volk verantwortlich sein. Eine Volksherrschaft kann das nicht und ist unverantwortlich.
Ich bin also für eine demokratisch gewählte konstitutionelle Regierung: etwas ganz anderes als eine Volksherrschaft. Und für eine verantwortliche Regierung: verantwortlich in erster Linie gegenüber ihren Wählern; aber auch, und vielleicht noch mehr, moralisch verantwortlich gegenüber der Menschheit.“ (Karl R. Popper)

„Diese Zahl ist verkraftbar“: Seehofer fordert Obergrenze von „maximal 200.000 Flüchtlingen“ pro Jahr

Aus den Erfahrungen der Vergangenheit kann ich sagen:

Ich bewundere diese Bayern. Wie schnell die manchmal rechnen können und aus welchen Quellen sie ihre Fakten schöpfen. Was macht Herr Seehofer mit dem zweihunderttausendundersten? Bricht dann die Volkswirtschaft zusammen? In der ganzen BRD oder nur in Bayern?

Welche Integrationsleistungen erhält der zweihunderttausendunderste dann nicht mehr, die die anderen vor ihm bekommen haben und die ausschlaggebend für gelingende Integration sind?

Bringen die Bayern unterschiedliche Geburtenzahlen über die Jahre auch so durcheinander? Sind sie nur verwirrt wegen ihrer vor und zurück und wir wissen nicht was wir wirklich wollen Politik bezüglich der Pflichtschuljahre?

„In Deutschland haben wir keine Probleme mit dem Zuzug von 100.000 bis höchstens 200.000 Asylbewerbern und Bürgerkriegsflüchtlingen pro Jahr. Diese Zahl ist verkraftbar und da funktioniert auch die Integration.“ (Seehofer im Focus)

Hatten wir schon mal so viele integriert? Wie hat man das da gemacht? So wie heute? Dann hätte ich gern gewusst, welchen Integrationsbegriff Herr Seehofer hat.

Für mich fällt – bei allem Diskussionbedarf des Themas – diese Bemerkung in eine Kategorie: Alles was unsere Lebensweise ändert, schaffen wir nicht.

Das wird man ja wohl noch sagen dürfen? – Nein, darf man nicht.

Aus gutem Grund sind bestimmte Äußerungen, Symbole etc. in Deutschland nicht so einfach öffentlich möglich. Dafür gibt es das Strafgesetzbuch und die §86, §130 u.a. Und dafür haben wir eine Verfassung, die die Würde des Menschen, seine Unversehrtheit schützt und auch Asyl gewährt.

Und genau da liegt das Problem. Wer jahrzehntelang diese Paragrafen ignoriert, wegsieht, Strafverfolgung gar nicht erst betreibt, der sollte anfangen seinen Job zu machen. Wer jahrzehntelang mit diesen Ressentiments, Vorurteilen und Ängsten auf Wählerfang geht, wer doch mal was sagen dürfen will, dem gehört genau in diesem Fall der Mund verboten.

Nein, bestimmte Dinge darf man eben nicht sagen. Aus Anstand, aus Höflichkeit, aus Achtung vor dem Anderen und, wenn das alles nicht hilft, weil es verboten ist.

Niemand weiß, wieviele Menschen in den nächsten Jahren nach Deutschland kommen wollen. Prognosen dazu sind ungefähr so seriös wie Schäubles schwarze-0-Haushalte.

Hilfe, wenn jedes Jahr 800.000 (oder mehr kommen), dann..

Ja „wenn“.

Wenn den jetzt, in diesem Moment hier lebenden und ankommenden Menschen, Struktur gegeben wird: schnelle Verwaltung, kurze Verweildauern in Massenunterkünften, schnelle Tagesstrukturen durch Sprachunterricht (unabhängig vom Bleibestatus) und Kulturaustausch, schnelle Arbeitsperspektive für die, die bleiben können. Und mit Politikern, die eben nicht rechts von der Mitte fischen, die eine klare Ansage machen, dann gibts vielleicht die Chance, dass „wir“ das schaffen. Und wenn in den Ländern dieser Welt, die inzwischen unter dem Label „Herkunftsländer“ firmieren, Bedingungen geschaffen werden, die ein menschenwürdiges, friedliches Leben ermöglichen.

Wenn in Deutschland alle die, die unter die warme Decke wollen, die nur wegen der Kohle hier sind, die hier sind, weil man hier arbeiten kann und falls mal nicht, dann wenigstens nicht verhungert, kurz alle die, die genau deshalb nicht auswandern, wenn man die raussschmeißen würde. Hier wäre sehr viel Platz.

In Deutschland lebt doch von den Eingeborenen niemand, weil er irgendwelche gemeinsamen Kulturwerte teilt. Die meisten sind einfach hier geboren. Viele sind aus dem einen Teil in den anderen abgehauen. (Warum? Wegen der Kohle)

Ich habe zwar Zweifel, aber für Europa könnte es schon ein Grund sein, darüber nachzudenken, was wir so an Europa schätzen. Und irgendwann entsteht vielleicht auch ein Boden, eine gemeinsame europäische Verfassung, aufbauend auf den Gedanken der Aufklärung, mit denen sich die alten und die neuen Europäer identifizieren können. Jenseits vom Sozialneid, von der Subventionsgier und den neuen Nationalismen und Rassismen, die hier entstehen.