Kategorie-Archiv: Gesundheitssystem

ebm-Netzwerk: Neue Stellungnahme zu COVID19

Lesen Sie die aktualisierte Stellungnahme.

Bundesgerichtshof entscheidet über Haftung wegen Lebenserhaltung durch künstliche Ernährung

“ Das menschliche Leben ist ein höchstrangiges Rechtsgut und absolut erhaltungswürdig. Das Urteil über seinen Wert steht keinem Dritten zu. Deshalb verbietet es sich, das Leben – auch ein leidensbehaftetes Weiterleben – als Schaden anzusehen (Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG). Auch wenn ein Patient selbst sein Leben als lebensunwert erachten mag mit der Folge, dass eine lebenserhaltende Maßnahme gegen seinen Willen zu unterbleiben hat, verbietet die Verfassungsordnung aller staatlichen Gewalt einschließlich der Rechtsprechung ein solches Urteil über das Leben des betroffenen Patienten mit der Schlussfolgerung, dieses Leben sei ein Schaden.“ (s. BGH)

Willkommen in der schönen neuen Welt der Spitzenmedizin. Es könnte sein, dass der BGH mit dieser Entscheidung Kliniken eine große Tür für lebenserhaltende Maßnahmen geöffnet hat, die die Bilanz der Kliniken schön machen, aber das „Leben“ der Betroffenen nur sehr bedingt.

Eine Ärzte Charta könnte den Focus auf die wesentlichen Dinge richten

In der aktuellen Diskussion, wieviel Ärzte denn genug sind, kann ein Blick auf die Patienten hilfreich sein. So wie er z.B. in der Physicians Charta der European Federation of Internal Medicine formuliert ist. Die drei fundamentalen Prinzipien:

Das Primat des Wohlergehens der Patienten
Die Interessen des Patienten stehen immer im Vordergrund, nicht die der Marktkräfte oder Verwaltungsanforderungen.

Das Prinzip der Patientenautonomie
Patienten muss es ermöglicht werden, ihre eigenen Entscheidungen zu treffen.

Das Prinzip der sozialen Gerechtigkeit
Gesundheitsressourcen müssen fair und nicht nach Geldbeutel verteilt werden.

In unserem Gesundheitssystem stecken eine Menge Ressourcen, die derzeit verbraucht werden für die Partikularinteressen der Ärzte und ihrer Interessenvertretungen, der Krankenkassen und ihrer Verteilungskämpfe, der Gesundheitsindustrie im breitesten Sinne und ihrer Lobbyisten, der Politiker mit ihrer Weihnachtsmannmentalität und der Krankenhäuser mit ihrem systemimmanenten Chaos.

Ein paar einfache Fragen:
„Warum wurde (wird) diese Leistung abgefordert, was waren (sind) die Entscheidungsgründe, was wurde (wird) erwartet?“ (Lohfert 2013) Und: Ist diese Leistung für den Patienten wesentlich zielführend und mit möglichst geringen/keinen unerwünschten Nebeneffekten verbunden?

Verbunden mit einem durchdachten Public Health Ansatz, der Verhaltens- UND Verhältnisänderungen im Blick behält, das würde die Diskussion um die Zahl der Ärzte doch um einen wesentlichen Aspekt bereichern: die Patienten, ihre Bedürfnisse und ihre Lebensumstände.